Advent: Worauf wie lange warten?
Pünktlich zum 1. Advent hängt wie jedes Jahr unser deutscher Nachbar gemeinsam mit dem Berner Nachbarn in dessen Kellerabteil etwa 20 kg rohes Schweine- und Rindfleisch zum Trocknen auf. Diejenigen unter Euch, die meine Tagebücher der letzten drei Jahre gelesen haben, wissen bereits, was nach ein paar Tagen passiert: Es entwickelt sich ein penetranter Verwesungsgeruch, der sich bis in die Waschküche und das Treppenhaus verbreitet. Seit drei Jahren beschwere ich mich über diesen Gestank, denn es ist mir jeweils für 6 Monate nicht möglich, meine Wäsche in der gemeinschaftlichen Waschküche zu trocknen. Auch an der letzten Eigentümerversammlung im Oktober, an welcher ich zum ersten Mal dieses Thema „öffentlich“ zur Sprache brachte, fand ich kein Gehör. Die Fleischtrockner meinten, dies täten sie schon seit 22 Jahren, es sei erlaubt und gute alte Walliser Tradition, von mir liessen sie sich nichts verbieten. Dass sich das Kellerabteil im gemeinschaftlichen Zivilschutzkeller befindet, sei unwichtig. Käfer und Mäuse gehörten zu einem Haus. Diese müsse man einfach töten. Dass es ein Hausreglement gibt, das bei der Nutzung gemeinsamer Räume auf die Rücksichtnahme setzt, wird ignoriert. Auch vom Verwalter. Dieser meint später zu Georg, das Problem würde sich „durch einen natürlichen Abgang“ lösen, die nächste Generation würde bestimmt kein Fleisch trocknen. Ausserdem sei diese Tätigkeit auf einen kurzen Zeitraum von 6 Wochen beschränkt. Falls ich wolle, könnte ich gerichtlich gegen diese Nachbarn vorgehen. Das will ich aber nicht. Also bleibt mir mal wieder nichts anderes übrig, als in den kommenden Monaten meine Wäsche nicht in der Waschküche zu trocknen. Das versprochene Gitter gegen Mäuse und Ungeziefer wurde bis jetzt noch nicht vor dem dortigen Fenster montiert. Niemand der anderen Miteigentümer*innen will mit der Sache etwas zu tun haben und Partei ergreifen. Niemand hat etwas gerochen. Meine Erkundigungen beim kantonalen Amt für Zivilschutzbauten ergeben: Es seien nur bauliche Veränderungen nicht erlaubt. Starke Geruchsemissionen seien Sache der jeweiligen Eigentümergemeinschaft. Ich soll also warten, bis die zwei etwa 85jährigen Nachbarn das Zeitliche segnet. Ähnlich scheint es auf der grossen Weltbühne zu sein: Wir müssen warten, bis Staatspräsidenten, die auch heute immer noch ihre Macht missbrauchen, ihr Lebensende erreicht haben, damit es Frieden und Gerechtigkeit gibt. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als öfters die Waschküche zu lüften und als Kontrastprogramm „das Parfum der Liebe Gottes“ (siehe hier im Text vom 20. August) in der Kirche zu geniessen. Die heilige Maria von Fatima tröstet mich und sagt: „Hab‘ Vertrauen! Diese Zeit wird zu Ende gehen. Hebe deinen Blick zu den Sternen: Kreise vollenden sich, neue Kreise werden beginnen.“
Foto und Text: Petra Dobrovolny