Heute biete ich zum letzten Mal in diesem Jahr meine Klangmeditation „Dona nobis pacem“ in der Seitenkapelle der Leukerbadner Pfarrkirche an. Gleichzeitig findet im Aufbahrungsraum St. Josef eine Totenwache für eine verstorbene Dorfbewohnerin statt. Der mit Blumen geschmückte Sarg ist in der Mitte des Raumes aufgestellt, das ganze Dorf verabschiedet sich von einem geliebten Menschen. In Gedanken schicke ich meine Klänge in diesen Raum und ein „Agnus Dei, dona eis requiem“, „Lamm Gottes, schenke der Verstorbenen Frieden“. Nach meiner Vorstellung sucht ein Basler Ehepaar das Gespräch mit mir und meint, die Klänge seien wunderschön gewesen. Sie seien selbst Musiker, spielten aber eine ganz andere Musik und hätten so etwas noch nie gehört. Die Baslerin bedankt sich besonders bei mir, denn sie sei mit Schmerzen im Bauch gekommen und würde jetzt schmerzfrei wieder gehen. Sie ist nicht die Erste, die mir eine so erfreuliche Rückmeldung gibt.
Foto und Text: Petra Dobrovolny
7. 12.: Notre Dame, Paris
Was internationale Zusammenarbeit zu einem friedlichen Zweck bewirken kann, zeigt sich in diesen Tagen in Paris. Am 7. Dezember wurde die Cathédrale Notre-Dame feierlich wiedereröffnet. Am 19. April 2019 war in deren Dachstock aus unbekannten Gründen ein Brand ausgebrochen. Die Bilder gingen um die Welt und berührten die Herzen. Die Feuerwehr konnte durch richtiges Handeln das Schlimmste verhindern: Die zwei vorderen Türme fielen nicht und die vordere Fassade blieb fast unbeschadet. Wie durch ein Wunder verfehlte der herabstürzende Vierungsturm, „la flèche“ genannt, die berühmte Statue der Madonna mit dem Kind aus dem 14. Jahrhundert und die Pietà in der Mitte der Kathedrale. Schnell wurde entschieden: Notre-Dame soll wieder aufgebaut werden. Spenden aus der ganzen Welt trafen ein. Während vier Jahren gaben 2000 Fachkräfte aus allen möglichen Ländern ihr Wissen und ihre ganze Kraft in dieses Projekt, das zu Beginn unmöglich schien. Seine Rede hätte Präsident Macron gemäss Weisung der Kirchenobersten auf dem Platz vor der Kathedrale halten sollen. Das schlechte Wetter verhinderte dies zum Glück, und sie fand im Inneren statt. Er dankte allen, die dazu beigetragen haben, dass diese Kathedrale, die nicht nur Frankreich, sondern der ganzen Welt gehöre, in einer noch grösseren Schönheit, „splendeur“, wiederauferstanden sei. Die Eröffnungsfeier dauerte drei Stunden und wurde weltweit übertragen. Zu Gast waren u.a. Trump mit einer goldgelben Krawatte, Selenskyj in militärgrün, Steinmeier mit Gattin, Georgia Meloni, die zu meinem Erstaunen mit Macron Englisch spricht, Prince William, dessen Hand von Trump herzlich geschüttelt wurde, und Elon Musk. Es ist ein Tag der Freude.
Die meisterhaft vorgetragene klassische Musik vertieft die Stimmung der Freude und Dankbarkeit. Ein Kopfschütteln bewirkt allerdings eine Passage der Improvisation des Organisten während der feierlichen Einweihung der neuen Orgel. Er hämmert einige Minuten lang wild auf die Tasten ein, sodass laute und disharmonische Klänge sich in den heiligen Raum und über das Publikum ergiessen. In einem nächsten Teil improvisiert er mit kirchentraditionellen Klängen und Tonlagen, die nach dem wilden Ausbruch besonders sanft und wohltuend wirken. Trotzdem erhält der Organist in nachträglichen Kommentaren schlechte Noten. Ich kommentiere auf Youtube: Es könnte sein, dass der Musiker den Zustand der Welt spiegeln und an die furchtbaren Kriege erinnern wollte. Mit einer Orgel kann man alle Fassetten ausdrücken. Sein Beitrag hat die sonst fast zu harmonische und somit einseitige Feier zu einer Vollendung gebracht. Für meinen Kommentar erhalte ich sogar Zustimmung.
Foto und Text: Petra Dobrovolny
Adventszeit
Advent: Worauf wie lange warten?
Pünktlich zum 1. Advent hängt wie jedes Jahr unser deutscher Nachbar gemeinsam mit dem Berner Nachbarn in dessen Kellerabteil etwa 20 kg rohes Schweine- und Rindfleisch zum Trocknen auf. Diejenigen unter Euch, die meine Tagebücher der letzten drei Jahre gelesen haben, wissen bereits, was nach ein paar Tagen passiert: Es entwickelt sich ein penetranter Verwesungsgeruch, der sich bis in die Waschküche und das Treppenhaus verbreitet. Seit drei Jahren beschwere ich mich über diesen Gestank, denn es ist mir jeweils für 6 Monate nicht möglich, meine Wäsche in der gemeinschaftlichen Waschküche zu trocknen. Auch an der letzten Eigentümerversammlung im Oktober, an welcher ich zum ersten Mal dieses Thema „öffentlich“ zur Sprache brachte, fand ich kein Gehör. Die Fleischtrockner meinten, dies täten sie schon seit 22 Jahren, es sei erlaubt und gute alte Walliser Tradition, von mir liessen sie sich nichts verbieten. Dass sich das Kellerabteil im gemeinschaftlichen Zivilschutzkeller befindet, sei unwichtig. Käfer und Mäuse gehörten zu einem Haus. Diese müsse man einfach töten. Dass es ein Hausreglement gibt, das bei der Nutzung gemeinsamer Räume auf die Rücksichtnahme setzt, wird ignoriert. Auch vom Verwalter. Dieser meint später zu Georg, das Problem würde sich „durch einen natürlichen Abgang“ lösen, die nächste Generation würde bestimmt kein Fleisch trocknen. Ausserdem sei diese Tätigkeit auf einen kurzen Zeitraum von 6 Wochen beschränkt. Falls ich wolle, könnte ich gerichtlich gegen diese Nachbarn vorgehen. Das will ich aber nicht. Also bleibt mir mal wieder nichts anderes übrig, als in den kommenden Monaten meine Wäsche nicht in der Waschküche zu trocknen. Das versprochene Gitter gegen Mäuse und Ungeziefer wurde bis jetzt noch nicht vor dem dortigen Fenster montiert. Niemand der anderen Miteigentümer*innen will mit der Sache etwas zu tun haben und Partei ergreifen. Niemand hat etwas gerochen. Meine Erkundigungen beim kantonalen Amt für Zivilschutzbauten ergeben: Es seien nur bauliche Veränderungen nicht erlaubt. Starke Geruchsemissionen seien Sache der jeweiligen Eigentümergemeinschaft. Ich soll also warten, bis die zwei etwa 85jährigen Nachbarn das Zeitliche segnet. Ähnlich scheint es auf der grossen Weltbühne zu sein: Wir müssen warten, bis Staatspräsidenten, die auch heute immer noch ihre Macht missbrauchen, ihr Lebensende erreicht haben, damit es Frieden und Gerechtigkeit gibt. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als öfters die Waschküche zu lüften und als Kontrastprogramm „das Parfum der Liebe Gottes“ (siehe hier im Text vom 20. August) in der Kirche zu geniessen. Die heilige Maria von Fatima tröstet mich und sagt: „Hab‘ Vertrauen! Diese Zeit wird zu Ende gehen. Hebe deinen Blick zu den Sternen: Kreise vollenden sich, neue Kreise werden beginnen.“
Foto und Text: Petra Dobrovolny
20.11.2024 „Weggeschichten“
Am 20. November hielt Bruno Zumofen, der Experte für die Geschichte Leukerbads, wieder einen Vortrag. Im Januar 2023 durfte ich bei seinen Ausführungen über die alten Badner Familien einiges erfahren. Darüber habe ich am Anfang meines Tagesbuchs 2023 berichtet. Dieses Mal heisst das Thema „Weggeschichten“, und Bruno erzählt auf „Wallisertitsch“, ab wann es welche Wege von und nach Leukerbad gab, und wer sie wann benutzen durfte. Als historisches Dokument dient ihm „das weisse Buch“, worin der jeweilige Gemeindeschreiber in der Zeit von 1500 bis 1908 alle wichtigen Gegebenheiten aufgeschrieben hat. Die heutige Strasse von Leuk im Rohnetal bis hinauf nach Leukerbad gibt es seit 1850. Vorher gab es nur den schmaleren Römerweg. Kutschen fuhren bis 1915, danach gab es bis 1967 die Zahnradbahn, welche zum grossen Bedauern vieler von Bussen abgelöst wurde.
Alte Flurnamen entstammen dem frankoprovenzalischen Dialekt. Darin enthaltene Silben wie „plan“ bedeutet Ebene oder „prae“ bedeutet Wiesenmatte. Auch keltische Namen sind erhalten geblieben. „Leuk“ bedeutet Wiese, „Dala“ trüber Fluss, „Brig“ Brücke, „Wallis“ Tal der Römer. Die damalige Walliser Währung hiess „Mauriner Pfund“. Die Strasse zur Nachbargemeinde Albinen gibt es erst seit 1978. Vorher benutzten die Einheimischen nur die Leitern, die es heute noch gibt. Es war damals keine Seltenheit, dass auch 70- oder 80jährige Frauen die Leitern geschickt hinauf- und hinabkletterten. Auch Kinder und Tiere wie zum Beispiel Ziegen wurden auf dem Rücken über die Leitern getragen.
1232 wurde zum ersten Mal der Gemmipass und der Weg nach Kandersteg erwähnt. Dies war vor Inbetriebnahme der Lötschbergbahn 1913 und weiteren Strassen- und Tunnelbauten während vieler Jahrhunderte der kürzeste Weg vom Berner Gebiet ins Wallis. In der Mitte des Weges wurde 1742 eine Zollstation erbaut, die später in das Gasthaus «Schwarenbach» umgewandelt wurde. Mit dem aufkommenden Tourismus beherbergte es berühmte Persönlichkeiten wie Alexandre Dumas, Jules Vernes, Guy de Maupassant, Mark Twain, J.W. Goethe, Lenin, Pablo Picasso usw.
Gemäss dem «weissen Buch» wurde festgelegt, zu welcher Zeit der Weg zu den Gebirgsweiden für das auf- und absteigende Vieh reserviert war. Die damaligen Kühe waren kleiner und hatten kürzere Beine. Heute weiden im Sommer nur noch Schafe rund um den Daubensee beim Gemmipass. Der Alpabzug im September ist immer noch jedes Mal ein Volksfest.
1484 wurde der Grundstein zur St. Barbara-Kirche gelegt. Bisher waren die Gläubigen jeden Sonn- und Feiertag den 16 km langen Weg zu Fuss zur nächstgelegenen Kirche nach Leuk gegangen. 1501 weihte Bischof Matthias Schiner von Sitten die Kirche ein und erklärte Leukerbad zur selbständigen Kirchgemeinde. Um 1870 wurde die Kirche erweitert, um 90° gedreht und der heiligen Maria geweiht. Dank dem erfolgreichen bischöflichen Marketing für das Bäderdorf entwickelten sich die Besucherzahlen rasant. Aus dem Jahr 1533 gibt es folgende Weisung im „weissen Buch“: „Falls jemand sich nicht zu Kurzwecken oder zu Besuch von Verwandten oder als Handwerker mit einem Auftrag in Leukerbad aufhält, solle er nach drei Tagen befragt werden. Kann er keinen Grund angeben, so solle er sofort abreisen, damit nichts Böses geschehe.“ Eine Zuhörerin im Publikum meint, diese Bestimmung sollte man heute wieder einführen. 1779 wurde der erste Kupferstich der Umgebung von Leukerbad erstellt und in demselben Jahr besuchte Goethe das Dorf. Er genoss die „säuberlich gefassten“ Thermalquellen und bedauerte, dass er nicht genügend Zeit gehabt hätte, um die Einheimischen, die er als freundlich und ehrlich einschätzte, näher kennenzulernen. Zu der Zeit betrug die Einwohnerzahl etwa 500.
Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Albiner Blumenkinder bei den Kurgästen sehr beliebt. Auf den schmalen Wegen nach Leukerbad pflückten sie einheimische Blumen wie Edelweiss, Enzian und Silberdisteln. Diese verkauften sie in kleinen Schachteln den Gästen, die sie per Post Bekannten und Verwandten in die ganze Welt verschickten. Manchmal verdienten die Blumenkinder pro Monat sogar mehr als der eigene Familienvater.
Die Albiner Leitern gibt es heute immer noch. Sie bestehen aus Holz, und jede ist etwa 10 m lang und 1 m breit. Ich habe sie bis jetzt auf meinen Wanderwegen vermieden. Man muss schwindelfrei sein. Es ist einfacher hinauf- als hinabzuklettern.
Foto: Altes Haus in Albinen und Text: Petra Dobrovolny
Jean Monnet, film doc
Jean Monnet, l’aventurier de l’Europe
Par Eric Roussel, historien et journaliste, et Jean-Marc Lieberherr Monnet, président de l’Institut Jean Monnet et petit-fils de Jean Monnet pour la Télévision Française
Projection à la Fondation Jean Monnet pour l’Europe,
Lausanne, le 5 novembre 2024
Ce film est extraordinaire, au-delà d’être un simple film documentaire. Il contient des documents historiques très précieux. Il montre la brutalité de la guerre d’une façon non-idéologique, mais très anti-humanitaire. La figure principale n’est pas glorifiée comme icône, mais comme homme de paix en service de l’humanité. Le fil rouge est la vision de Jean Monnet que la solution des problèmes se trouve dans la collaboration même avec des ennemis ou des ennemis du passé. Le chancelier Adenauer disait, que Dieu lui avait envoyé un ange. Jean Monnet a su enthousiasmer les gens pour l’idée de l’Europe. Ses yeux et son regard me sont restés dans ma mémoire de petite fille. Mon père a été un des premiers collaborateurs dès le commencement de la CECA au Luxembourg, ayant comme devoir d’informer surtout les journalistes allemands et de leur expliquer l’idée d’une Europe nouvelle après les guerres et comment réaliser ce nouveau paradigme de vivre et de travailler ensemble en communauté pour un future meilleur.
Etant réaliste, Jean Monnet savait très bien, que pas tout le monde aimait ses idées. Un représentant du camp adversaire était le Général de Gaulle, qui ne croyait pas à la force de synergie des pays européens et craignait que la France perdrait de grandeur ou sa propre identité. Les deux positions contradictoires sont très bien illustrées dans ce film.
Les points de mon avis importants pas encore mentionnés dans ce film :
On pourrait ajouter quelques mots sur les responsables des gouvernements des Pays-Bas, d’Italie, de la Belgique et du Luxembourg. Comment et pourquoi le Luxembourg a été choisi comme siège principal ? Surtout me manquent quelques mots concernant la Grande-Duchesse Charlotte, qui a joué un grand rôle intégratif.
Au moment dans le film, où Jean Monnet pense, que la génération suivante serait plus ouverte à ses idées, on pourrait ajouter un chapitre sur les Ecoles Européennes.
Et surtout on devrait ajouter des sous-titres en allemand et en anglais.
Texte et foto: Petra Dobrovolny
13.09. Der erste Schnee
In der Nacht auf Freitag, den 13. September, fiel der erste Schnee auf die Blüten meiner Geranien. Im Verlaufe des Tages wurde es so stürmisch, sodass ich mich fragte, ob ab 17 Uhr überhaupt jemand das gemütliche Hotelzimmer oder die warme Ferienwohnung verlassen wolle, um zu meiner Klangmeditation „Dona nobis pacem“ in die Kirche zu kommen. Nach meinem Üben am früheren Nachmittag traf ich auf dem Nachhauseweg zwei ältere Ehepaare, die mit ihren Rollkoffern herumirrten. Sie waren froh, jemanden in der menschenleeren Gasse anzutreffen. Wo denn die Talstation der Gemmibahn sei, fragte mich ein Herr. Ich sagte, das sei noch mindestens eine Viertelstunde zu Fuss entfernt, warum hätten sie nicht den Bus oder ein Taxi beim Busbahnhof genommen. Von einem Bus hätten sie nichts gewusst und wollten jetzt weiter zu Fuss gehen. Schliesslich hätten sie genügend Zeit, die Seilbahn fahre erst um halb drei. Ich schüttle den Kopf: „Die bekommen Sie aber nicht mehr, es ist doch schon 5 vor halb drei! Doch es reicht bis zur nächsten um 3 Uhr. Ich zeige Ihnen eine Abkürzung und erkläre Ihnen den weiteren Weg. Woher kommen Sie?“ „Aus Basel! Wir haben die „Gemmi Lodge“ für das Wochenende gebucht. Bitte gehen Sie nicht so schnell, wir kommen kaum nach!“, sagt der Basler ausser Atem. „Sind Sie von hier?“ Als ich das bejahe, ruft er den anderen seiner Gruppe zu, die keuchend ihre Koffer bergauf hinter sich herziehen: „Das ist eine Einheimische! Ich gehe schon mal mit ihr voraus!“ Oben bei der Ringstrasse angekommen erkläre ich den weiteren Weg und verabschiede mich mit besten Wünschen für einen angenehmen Aufenthalt. Jedenfalls kann ich annehmen, dass diese Gruppe aus dem Flachland wohlbehalten an ihr Ziel kommen und beim sich bereits ankündigenden Schneesturm ein sicheres Dach über dem Kopf haben wird.
Fast wäre es einer Tourengruppe beim Aletschgletscher anders ergangen. Sie wurden vom Schneesturm überrascht, fanden die Hütte nicht mehr und mussten am späten Abend bei -10°C um Hilfe rufen. Der Rettungshelikopter konnte bei solchen Wetterbedingungen jedoch nicht starten. So entschied sich eine Gruppe ortskundiger Retter mit langjähriger Erfahrung trotz allem auf den Weg zu machen. Tatsächlich fanden sie die in Not Geratenen und konnten sie zur 200m entfernten Alphütte bringen, wo sie nach Mitternacht eintrafen. Am anderen Morgen brachte der Helikopter alle wohlbehalten ins Tal bzw. ins Spital, wo die Erfrierungen behandelt wurden. Dies ist ein Glücksfall. Es kommt auch nicht häufig vor, dass Retter unter solchen Bedingungen zu Fuss aufbrechen.
Zu meinem Erstaunen fanden trotz Schneesturm immerhin 15 Personen kurz vor 17 Uhr den Weg in die Kirche und lauschten, in dicken Wintermänteln eingepackt, andächtig meiner Klangmeditation. Am Schluss danke ich jedes Mal für den Besuch und gemeinsame Beten für den Frieden im Herzen und den Frieden in der Welt. Auch wenn es draussen noch so stürmt.
Foto: Georg Dobrovolny
Text: Petra Dobrovolny
20.08.: Der Duft der Liebe Gottes
Bei meiner heutigen Klangmeditation „ausser Programm“ hörte mir eine ältere Besucherin eine dreiviertel Stunde lang zu. Danach kam sie zu mir und bedankte sich. Ich fragte sie, woher sie käme. Aus dem Kanton Jura, antwortete sie und erzählte mir, dass sie vor langer Zeit als Mitglied eines Kirchenchores in der Kathedrale von Chartres gregorianische Lieder gesungen hätte. Das fehle ihr jetzt. Meine Gesänge hätten sie daran erinnert, besonders mein „Kyrie eleison“ (Herr, erbarme Dich). Ich gebe ihr ein kleines Plakat mit den öffentlichen Daten meiner Klangmeditationen. Sie freut sich darüber und meint, dass sie an einem dieser Daten wieder nach Leukerbad käme. Dann zündet sie noch bei der heiligen Maria von Fatima eine Kerze an und verlässt mit nochmaligem Dank an mich die Kirche.
Im Bitt- und Dankbuch, welches auf dem Altar der Seitenkapelle liegt, kann jeder Besuchende Wünsche und das, was ihn oder sie gerade bewegt eintragen. Heute lese ich darin ein paar Sätze eines italienischen Besuchers: „Vielen Dank für die Erlaubnis, dieses wunderbare Gotteshaus besuchen zu dürfen. Hier spürt man den Duft der Liebe und der Güte Gottes.“ Im Original : « Si sente tutto l’amore di Dio con il suo profumo che porta l’amore è bonità.»
Ich finde es sehr berührend, dass jemand die Liebe Gottes so beschreiben kann und frage mich, ob mit dem „Parfüm“ Weihrauch gemeint ist, oder eine Mischung von Rosenholz, Wacholder und Jasmin.
Text und Foto: Petra Dobrovolny
8 – 8 – 8 Löwenportal
Die Kraft der Gewalt wandelt sich in die Kraft der Liebe!
Heute steht der Sirius über der Spitze der Cheops-Pyramide. Ein Tor öffnet sich, es erreichen uns neue Codes, die uns inspirieren zu neuen Erfindungen.
Amen
Petra Dobrovolny
Eine Marketingstrategie für Leukerbad
Theorie und Praxis
Am 26. Juni 2024, hat die Tourismus-Organisation von Leukerbad „myleukerbad.ch“ Gewerbetreibende, Ferienwohnungsbesitzende und alle anderen Interessierten zum jährlichen Informationsabend über die „Marketingstrategie 2026“ und die aktuellen Entwicklungen eingeladen. Etwa 60 Leute sind in den Theatersaal des Schulhauses gekommen. Es verspricht ein interessanter Abend zu werden, an dem ich etwas über das Marketing dieser Tourismusregion erfahren kann. „Nachhaltigkeit“ ist das Hauptthema, auf Englisch „sustainability“. Studien sollen zeigen, dass Touristen zunehmend „nachhaltiger“ reisen möchten und sich beim Aussuchen ihres Reiseziels darüber informieren, ob und wie das zur Auswahl stehende Hotel oder auch die ganze Destination mit natürlichen Ressourcen umgehen, ob regionale Produkte und authentische Veranstaltungen angeboten werden. Demzufolge ist die Nachhaltigkeit zu einem wichtigen Faktor der Marketingstrategie geworden. Wie ich zu meinem Erstaunen erfahre, sei die Schweiz europaweit führend und hat dafür das Label „swisstainable“ kreiert. Gastronomische Betriebe können das Label oder Zertifikat für einen Jahresbeitrag ab 150.- CHF erhalten, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen. Geprüft wird auch, inwiefern das Personal in die Gestaltung betrieblicher Abläufe miteinbezogen wird und sich in Bezug auf die Nachhaltigkeit weiterbilden kann.
75% der Gäste, die nach Leukerbad kommen, stammen aus der Schweiz. Dies bedeutet, dass die Zeit der Schulferien die jeweilige Hochsaison bestimmt. Die meisten Gäste kommen in den Weihnachtsferien und in der sogenannten Sportwoche im Februar. Im Mai und Juni zieht es die Schweizer eher in den wärmeren Süden statt in die Berge. Die aktuelle Vermarktungsstrategie setzt also darauf, dass Leukerbad ständig, d.h. 365 Tage im Jahr, eine Feriendestination werden soll. Der September und Oktober haben hier eine gute Chance, besonders wenn über dem Mittelland und Norditalien Nebel liegt. Die Lücken in der jährlichen Auslastung könnten Gäste aus ferneren Ländern füllen. Jetzt peilt man Japan an, Marktanalysen geben Indien und China auch eine gute Chance. Asiatische Gäste sind jedoch anderes Essen gewohnt. Der Marketingchef von Leukerbad, Herr C.D. meint, dass die Hoteliers flexibel sein und zum Frühstück Nudelsuppe anbieten müssten. Ich habe bereits selbst gesehen, was ein Leukerbadner Hotel nach dem Besuch einer chinesischen Gruppe alles wegschmeissen musste. Dies sah nicht gerade nachhaltig aus.
Für die landesweite und die internationale Vermarktung von Leukerbad hat man sich der Organisation „Valais Wallis Promotion“, die 2012 gegründet wurde, angeschlossen. Diese hat für die Marke „Wallis“ das Motto „Wallis ins Herz gemeisselt“ lanciert. Der Gast soll das Wallis einfach lieben, es sich einprägen und nie mehr vergessen. Leukerbad wird mit dem Motto „Quelle zum Glück“ beworben, auf Französisch „Source de bonheur“.
Die hiesigen Marketingfachleute schwärmen von der Vielfalt, die Leukerbad zu bieten hat und meinen genau zu wissen, was der Gast hier sucht: Er wolle das Freiheitsgefühl auf einem Mountainbike geniessen oder tagsüber wandern und abends ins Thermalbad. Familien wollten „Action“ und Spass. Das alles in einer Kulisse mit natürlicher Schönheit. Dies wolle man fördern und unbedingt die Bike-Weltmeisterschaft nach Leukerbad holen.
In der anschliessenden Frage- und Antwortrunde wird eher die Skepsis des Publikums deutlich. Ein Landwirt möchte die für die WM geplante Route sehen, denn diese führe wahrscheinlich durch sein Gebiet und die Bikes würde nicht so schnell behebbare Schäden anrichten. Wie stehe es denn dann mit der Nachhaltigkeit? Antwort von Herrn C.D.: Wo es Einsprachen gäbe, würde dies bei der Routenplanung berücksichtigt. – Ich weise auf den Interessenkonflikt zwischen Wandernden und Bike-Fahrenden hin. Als konkretes Beispiel führe ich den Panoramaweg an. Besonders seit einem Jahr sind dort in der schneefreien Saison an Wochenenden immer mehr Leute auf Bikes und „Monster-Trotinettes“ unterwegs. Der Weg werde aber auch von Familien mit kleinen Kindern und von älteren Leuten benützt. Bereits mehrere Wandernde hätten mir gesagt, sie überlegten sich, ob sie das nächste Jahr wiederkämen. Früher sei es besser gewesen. Die Antwort, die ich von Herrn C.D. erhalte, lautet: Eine Mehrfachbenutzung auf Wanderwegen sei in der Schweiz prinzipiell erlaubt und meistens auch so signalisiert. Man müsse eben Rücksicht nehmen und miteinander reden. Er würde seit 20 Jahren Biken und hätte noch nie ein Problem gehabt. – Meine nächste Frage: Es gibt auch viele Gäste, die sich bei ihrem Aufenthalt in Leukerbad Ruhe und Erholung wünschen. Wie werden diese in das Marketingkonzept eingebunden? Die Antwort: Diese könnten dann kommen, wenn nichts liefe. Da würden sich die Hoteliers freuen.
Beim anschliessenden Apéro, zu welchem alle eingeladen sind, frage ich Herrn Caliesch, ob der Begriff „noise pollution“, also Lärmverschmutzung als Faktor bei der Nachhaltigkeit aufgelistet sei. Er meint, dass Leukerbad damit bestimmt kein Problem habe. Ich entgegne: „O doch, zum Beispiel auf dem Dorfplatz bei der Après-Ski-Apéro-Bar im Freien würden die Boxen voll aufgedreht.“ Er meint, wenn dies ein privater Betrieb mache, könne man dagegen nichts sagen. Und die Bar gäbe es nur eine Woche lang. Mein Gegenargument: Die erlaubte Grenze an Dezibel würde wahrscheinlich überschritten. Die Antwort: In diesem Fall müsste ich mich an die Gemeinde wenden und mich beschweren. Dann erzähle ich Herrn C.D., dass ich weltweit viel gereist sei, zum Beispiel sei ich auch auf Barbados in der Karibik gewesen. Dort gäbe es vor 2 Uhr nachts wegen zu lauter Musik keine Ruhe. Die Insel sei bekannt für „noise pollution“ und viele Gäste würden deswegen ihre Ferien nicht mehr dort verbringen. Stattdessen seien andere Inseln, die weder Internets noch Events hätten und gerade das als Marketingstrategie lancieren, ständig ausgebucht. Mein Gegenüber schüttelt den Kopf. Das sei für Leukerbad nicht möglich.
Von einem Bike-Verleiher werde ich gefragt, ob ich in Leukerbad ein Hotel führe. Meine Fragen seien so entschlossen und mutig gewesen. Ich antworte lachend, dass ich Psychotherapeutin sei und unterwegs gerne mit Leuten ins Gespräch käme. Ausserdem sei ich Klangtherapeutin, hätte sehr feine Ohren und würde in der Kirche Klangmeditationen anbieten. Ach so, meint er, dann sei ihm alles klar. Er gibt mir recht: Die Bike-Fahrenden hätten eine viel zu starke Lobby. Die Jungfrau-Bahnen zum Beispiel hätten die Regel eingeführt, dass Biker erst ab 16 Uhr auf die Kleine Scheidegg fahren dürften, wenn alle sonstigen Touristen bereits auf dem Heimweg seien. Leukerbad müsste Wandernde und Bike-Fahrende auf die Dauer auseinanderdividieren. Ausserdem meint er, dass Biker der Region nichts bringen. Sie seien meistens Tagesausflügler, die weder ein Restaurant noch ein Hotel beanspruchten. Er bekäme morgens von ihnen einen Anruf mit der Bestellung, ein Bike an einem bestimmten Bahnhof oder einer Bushaltestelle bereitzustellen. Dann würden sie die Route fahren, sich aus dem Rucksack verpflegen, abends das Bike am abgemachten Ort wieder hinstellen und mit dem Zug nach Hause fahren. Deswegen sei es unverständlich, warum Leukerbad Tourismus die Biker so stark fördere.
Zum Glück kann ich mich in meine Wohnung, die eine Oase der Stille ist, zurückziehen, wenn mir der Rummel im Dorf in der Hochsaison zu viel wird. Ich höre immer wieder von Leuten, die gerade wegen der Ruhe nach Albinen, dem Nachbardorf, umgezogen sind oder dort statt in Leukerbad ihre Ferien verbringen. Ruhe zu erleben ist vielen Menschen ein tiefes Bedürfnis. Oft sagen mir Gäste, die meinen Klangmeditationen in der Kirche zuhören: „Jetzt bin ich endlich zur Ruhe gekommen und dafür danke ich Ihnen.“ Seit heute weiss ich, dass meine Klangmeditationen sogenannte authentische Veranstaltungen sind. Somit leiste ich einen Beitrag zur Nachhaltigkeit der Destination Leukerbad.
Es stellt sich die Frage, wie realistisch die Marketingstrategie 2026, die auf Biker und asiatische Touristen setzt, für Leukerbad ist. Wie ich erfahren habe, sind Biker meistens Tagesausflügler, die weder Restaurants noch Hotels in Anspruch nehmen. Biker werde nicht verhindern, dass gastronomische Familienbetriebe oft schliessen müssen, weil die Nachfolge fehlt. Eines der ältesten Leukerbadner Hotels hatte versucht, sich in den letzten Jahren als Biker-Hotel zu profilieren. Jetzt steht es zum Verkauf ausgeschrieben. Zunehmend benützen Biker beliebte Wanderwege und werden zu einer Gefahr für Touristen, die die Stille der Berge geniessen möchten. Unfälle häufen sich auch bei Frauen und Kindern, die ihr Fahrzeug nicht richtig beherrschen. Sie fahren in grossem Tempo auf ihren Bikes oder „Monster-Trottinettes“ die Wanderwege bergab. Oft können sie nicht bremsen, weil ihnen die Kraft in den Händen fehlt. Auch die engen Gassen im Dorf bleiben von Bikern nicht verschont. Wer sollte auf wen Rücksicht nehmen? Ich habe schon mehrmals von langjährigen Stammkunden sowie von Familien mit kleinen Kindern gehört, dass sie sich überlegen, eine andere Feriendestination zu suchen.
Die Einzigartigkeit, im Marketing „USP“ genannt, von Leukerbad liegt sichtlich in der Schönheit der Natur und dem Thermalwasser, welches europaweit am reichlichsten sprudelt und bei vielen Krankheiten heilend wirkt. Warum setzt die Marketingstrategie auf Biker, die Stammgäste vergraulen? Hier wird eine Gästegruppe gefördert, die ihr Freiheitsgefühl auf Kosten von anderen auslebt. Es gibt genügend andere Regionen, die Bikerouten anbieten. Und asiatische Touristengruppen bleiben meistens in der Gruppe zusammen. Einzeln besuchen sie weder eine Cafeteria noch ein lokales Geschäft. Grosse Hotels profitieren von ihnen am meisten.
Auch stellen sich weitere Fragen:
Warum gibt es in Leukerbad weder eine Arzt- noch Zahnarztpraxis?
Warum gibt es keinen Obst- und Gemüsemarkt?
Warum wird eine derart realitätsfremde Marketingstrategie entwickelt?
Foto: Leeshörner bei Leukerbad
und Text: Petra Dobrovolny
Unwetter: Wer informiert rechtzeitig?
3. Juli: Die Folgen der Unwetter
Am vergangenen Wochenende haben Unwetter in der Schweiz grosse Schäden angerichtet, besonders im Tessin und im Wallis. Geröll-Lawinen von grossem Ausmass überraschten die Bevölkerung. Es gab auch Todesopfer. Plötzlich anschwellende Bergflüsse brachten Brücken zum Einsturz, ganze Täler wurden abgeschnitten. – Zwischen Visp und Leuk ist die Rhone über die Ufer getreten und hat viel Geröll und Sand auf den Bahngleisen hinterlassen. Die Linie Visp – Leuk ist unterbrochen, wie es Georg am Sonntag bereits vermutet hatte. Darüber wird erst am Montagmorgen ab 9 Uhr von den SBB informiert. Schnell entschliesse ich mich, meine Rückfahrt nach Leukerbad um einen Tag zu verschieben. Ab Dienstag soll gemäss SBB wieder alles normal funktionieren. Doch das Ausmass des Gerölls wurde unterschätzt. Die Arbeiten dauern länger. Im Zug von Bern nach Visp kann die Kondukteurin mir keine Auskunft darüber geben, wie ich nach Leuk komme. Ich solle mich im Bahnhof Visp erkundigen. Zwei junge chinesische Touristen fragen in gebrochenem Englisch nach der Verbindung nach Zermatt und erhalten auch dieselbe Auskunft: Im Bahnhof Visp sollten sie sich informieren. Eine deutsche Touristin schaltet sich ein. Sie selbst fahre auch nach Zermatt, sie sollten ihr folgen, es werde einen Ersatzbus geben. Doch die beiden Chinesen geraten in Panik und bereiten sich vor, bereits in Spiez auszusteigen, obwohl die Kondukteurin ihnen viermal gesagt hatte, sie sollten erst in Visp und nicht in Spiez aussteigen. Doch für chinesische Ohren klingen die Worte „Spiez“ und „Visp“ vielleicht zu ähnlich. Eine Schweizer Mitreisende zückt ihr Handy, ruft ihre Tochter an, bittet sie den Chinesen zu erklären, wie sie nach Zermatt kämen. Dann reicht sie ihr Handy einem erstaunten Chinesen mit den Worten: „My daughter speaks Chinese! Her husband is Chinese.“ Nach zwei Minuten Konversation auf Chinesisch beruhigen sich die zwei Touristen sichtlich, reichen der Mutter bzw. der Schwiegermutter eines Landsmanns ihr Handy wieder mit dem Kommentar: „Your daughter speaks very well Chinese!“
In Visp ertönt die Lautsprecherdurchsage mit Informationen zur Weiterfahrt. Genauere Auskünfte geben die mit Leuchtwesten bekleideten SBB-Angestellten auf dem Bahnsteig. Mir wird empfohlen, den Regionalzug nach Gampel-Steg zu nehmen und dort in den Ersatzbus nach Leuk umzusteigen. Es bleibt nur die Frage, ob ich den Verbindungsbus nach Leukerbad erwische. Alles geht gut, ich treffe sogar eine Leukerbadner Bekannte, die im Spital Visp arbeitet. Sie hilft mir in Gampel-Steg mit meinem Gepäck die Treppen herunter und hinauf zum Bus. Wie geplant treffe ich in Leukerbad ein und erreiche auch noch den lokalen Bus, der mich fast bis zur Haustür bringt.
Georg meint, dass Viola Amherd, Bundesrätin und Chefin des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS für eine bessere Information der Bevölkerung sorgen solle, anstatt selbst ins Wallis und ins Tessin zu reisen, um sich die Schäden anzusehen. Er schreibt eine Mail mit der Anfrage an das VBS mit der Frage, wann die Bevölkerung besser informiert werde. Eine Antwort erhalten wir nach zwei Wochen:
Es sei die Sache des Kantons Wallis die Bevölkerung zu informieren. Auf der App „Unwetteralarm Schweiz“ könnte man schweizweit immer nachschauen, was passiert. Die SBB täte ihr Möglichstes, um ihre Kundschaft über Apps aktuell zu informieren.
Am 3. Juli schreibt die Neue Zürcher Zeitung: Die Schweiz hinkt den EU-Ländern in Bezug auf die Alarmierung der Bevölkerung über drohende Naturkatastrophen hinterher.
Foto und Text: Petra Dobrovolny