Heute ist Fronleichnam und in den katholischen Kantonen der Schweiz ein Feiertag mit Messen und Prozessionen. Auch in Leukerbad. Stolze Fahnenträger, die Musikgesellschaft Gemmi mit Paukenschlägen und beschwingter Blasmusik, Blumenkinder, Kommunionskinder, der Kirchenchor, Mitbetende, … alle begleiten den Pfarrer, der das Allerheiligste, d.h. die Monstranz mit der Hostie, durch das Dorf trägt. Es werden gesegnete Brötchen verteilt, nach dem Schiessen der Schützen – zum Glück schiessen sie mit ihren Gewehren nur in die Luft – sind alle zu einem Glas Walliser Weisswein eingeladen. So wird das Leben gefeiert, in Gedenken daran, dass Christus den Tod überwunden hat. Die Freude darüber soll heute nicht nur in den vier Wänden der Kirche bleiben, sondern in Form einer Prozession in die Welt hinausgetragen werden. Eine feierliche Atmosphäre der Dankbarkeit verbreitet sich in den mit Fahnen und Blumen geschmückten Gassen.
In der Kirche brennen bei der heiligen Maria von Fatima wie immer gespendete Kerzen. Nur wenige Touristen sind unterwegs, denn das Wetter ist kühl und regnerisch. Kaum habe ich am frühen Nachmittag meine Klangmeditation, die heute nicht in einem offiziellen Rahmen stattfindet, begonnen, betreten ein Mann und zwei Frauen im Alter von etwa 80 Jahren die Kirche, lauschen und entdecken für sie unerwartet meine Klänge und lateinischen Gesänge. Ich bin gerade bei „dona nobis pacem“. Der Mann geht die Treppe zur Empore hinauf, um eine bessere Sicht auf mich und meine Klangschalen zu haben, zückt sein Smartphone und beginnt mich ungefragt zu filmen. Seine Bekannte ahmt es ihm in kurzer Zeit nach. Ich empfinde es als sehr unangenehm, sogar von zwei Kameras von oben her gefilmt zu werden. Dies ist mir hier in der Kirche noch nie passiert. So schnell wie möglich beende ich das „Gloria“ und lege eine Trinkpause ein, in der Hoffnung, dass die Filmerei gestoppt wird und die Besucher verschwinden. Doch alle drei bleiben auf der Empore, spielen sich gegenseitig auf dem Handy vor, was sie gerade aufgenommen haben, und unterhalten sich laut. Eine ungestörte Fortsetzung meiner Meditation ist mir gar nicht möglich. Kurzerhand gehe ich die Treppen hinauf und frage die Leute, woher sie kommen. Aus dem etwa 60 km entfernten Sion, lautet die Antwort, gefolgt von Komplimenten über meine Darbietung. Eine Dame scheint zu spüren, dass ich nicht sehr begeistert bin und fragt, ob es denn erlaubt gewesen sei, mich zu filmen. „Eigentlich nicht“, antworte ich, „zumindest hätten Sie mich vorher fragen können.“ Der Mann meint rechthaberisch, dass Musik geteilt werden müsse, das sei doch für private Zwecke sowieso erlaubt. Ich wende ein, dass wir uns hier in einer Kirche, also einem geweihten Ort befinden und Filmen nicht erlaubt sei. Es gäbe auf meinem Youtube-Kanal Ausschnitte meiner Klangmeditationen, falls es sie interessiere, könnten sie meine Visitenkarte mitnehmen und auch ein kleines Plakat mit den Daten meiner diesjährigen monatlichen Darbietungen. Die andere Frau begreift sofort. Und die Bekannte, die mich auch gefilmt hatte, meint, dass sie das Video löschen werde. Sie hätte es ihrem Sohn schicken wollen, um mit ihm ihre „Entdeckung des Tages“ zu teilen. Ich entgegne ihr, dass sie es nicht löschen müsste, es mir aber schicken könne. Ein paar Stunden später tut sie dies tatsächlich auch. Während meines Gesprächs mit den beiden Frauen wendet sich der Mann ärgerlich ab, geht die Treppe hinunter und geht fotografierend und filmend durch die ganze Kirche. Ich lade die Frauen ein, sich unten hinzusetzen und zu meinen weiteren Klängen im Stillen zu beten. Dies könnten sie für ein paar Minuten tun, meinen sie, denn sie würden den Anruf einer Freundin erwarten, die hier in der Reha-Klinik sei. Der Mann hat inzwischen ohne Abschiedsgruss an mich die Kirche bereits verlassen. Niemand von den dreien hat eine Kerze oder etwas für die Renovation der Kirche gespendet.
Kaum habe ich meine Meditation fortgesetzt, betreten Eltern mit zwei Kindern und deren Grossmutter die Kirche. Sie freuen sich, als sie meine Klänge hören, setzen sich leise in eine Bank und hören mir andächtig 10 Minuten lang zu. Danach zündet die Mutter fünf Kerzen bei der Marienstatue an, bedankt sich bei mir und alle verlassen leise die Kirche. So etwas ist also auch möglich.
Text und Foto mit meinen Kristallinstrumenten auf dem Altar der Seitenkapelle der Marienkirche Leukerbad: Petra Dobrovolny